27. Fachtagung des Arbeitskreises Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit
27. Oktober – 29. Oktober 2022
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart – Tagungszentrum Hohenheim
Claudia.Opitz@unibas.ch
Monika.Mommertz@unibas.ch
Sophie.Ruppel@unibas.ch
Die Natur ist im christlichen Mittelalter zunächst allumfassend die Schöpfung Gottes, deren Krone die Menschen (bzw. Mann und Frau) darstellen und die in ihrem Urzustand auch die bestmögliche Realisierung erfahren hat; durch den Sündenfall wird diese ursprüngliche Einheit und Schönheit zerstört und der Mensch/Mann soll nun zur Strafe im Schweisse seines Angesichts sein Brot essen, die Frau «unter Schmerzen Kinder gebären» und ihrem Mann untergeben sein. So geraten also beide, Mann und Frau, von der schönen paradiesischen Natur in einen «Kulturzustand», der Mühen, Not, Schmerzen und schliesslich den Tod mit sich bringt, der allerdings auch Erkenntnis, Bildung, Verbesserung des irdischen Elends usw. verspricht.
Diese Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte hat bereits in der frühen Neuzeit zu einer breit angelegten Debatte geführt, der «querelle des femmes“, in der u.a. auch kritisch nach der Verankerung von Geschlechterhierarchien in der als Schöpfung verstandenen Natur gefragt wurde. Daneben wurde der Zugang zum «Übernatürlichen» im Sinne einer Reihe in der Natur nicht vorkommender Kräfte und Wesen gesucht. Geister oder Hexen besaßen in der Wahrnehmung der Zeitgenoss*innen spezielle – übernatürliche – Kräfte. Diese hatten nicht selten selbstverständlich auch ein Geschlecht – oder es wurden ihnen je besondere Wirkungen auf Frauen und Männer zugeschrieben.
Nicht zuletzt war es nach frühneuzeitlicher Auffassung auch möglich, die „natürliche Ordnung (der Geschlechter)“ ganz zu überwinden – durch göttlichen Willen nämlich, was etwa bei der Legitimierung weiblicher Herrscher ein gerne genutztes Argument war, oder durch ein (oder mehrere) Wunder, die es auch Frauen ermöglichten, über ihre „niedere“ Natur hinauszuwachsen und zu wirken, wie dies bei berühmten Klosterfrauen und Heiligen (etwa bei der hochberühmten Theresa von Avila oder der späteren französischen Nationalheiligen Jeanne d`Arc ) der Fall war.
Dabei wurde der Verweis auf Natur oder die natürliche Ordnung schon vor-aufklärerisch dazu genutzt, diverse Verhaltensweisen, aber auch Erscheinungsformen menschlichen wie tierischen Lebens als „wider die Natur“ gerichtet zu be- oder gar zu verurteilen; dazu zählen vor allem Sexualpraktiken (etwa gleichgeschlechtlicher Art, aber auch bestimmte Stellungen beim heterosexuellen Geschlechtsakt), aber auch Formen der körperlichen Missbildung bei Mensch und Tier. Hier grenzt dann das Widernatürliche, ja, Dämonische, direkt an das Übernatürliche an, da beide in gewisser Weise „jenseits der Natur“ angesiedelt wurden.
Bei unserer diesjährigen Tagung, die vom 27.-29. Oktober 2022 im Tagungshaus der Katholischen Akademie in Stuttgart-Hohenheim stattfindet, wollen wir solchen Diskursen und Praktiken nachgehen, die sich direkt oder indirekt mit Natürlichem, Über- oder sogar Widernatürlichem befassten bzw. darauf zurückgeführt wurden, und zwar immer mit Blick auf Geschlechterdifferenzen, -ordnungen oder deren Überwindung.
Die jährlichen Tagungen des Arbeitskreises bieten eine Plattform zur Präsentation und Diskussion aktueller Forschungsarbeiten, sehr gerne auch von Nachwuchswissenschaftler*innen. Zugleich dienen die Treffen dem Informationsaustausch, der intergenerationellen Vernetzung sowie der methodischen, konzeptuellen und theoretischen Auseinandersetzung. Von Historikerinnen organisiert, sind die Treffen immer auch ein Ort der Inter- und Transdisziplinarität. Durch die Heterogenität der Teilnehmer*innen legen wir vor allem darauf Wert, dass die einzelnen Beiträge maßgeblich den Fokus auf Fragen der Methode und der Methodologie richten.
https://ak-geschlechtergeschichte-fnz.univie.ac.at/?page_id=48