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Internationales Forschungszentrum
Kulturwissenschaften | Kunstuniversität Linz in Wien
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Im 19. Jahrhundert sammelten westeuropäische Semitisten tausende Papierabdrücke semitischer Steininschriften. Solche »Abklatsche«, dreidimensionale Kopien aus Papier, galten als leicht herzustellende und zuverlässige Art, Inschriften zu untersuchen, deren Originale sich im Nahen Osten befanden. Ein Blick in den Prozess der Abklatschherstellung zeigt, dass deren Produktion nicht voraussetzungslos war: Abklatsche wurden zu entscheidenden Evidenzobjekten für die Auseinandersetzung mit epigrafischen, philologischen und theologischen Fragestellungen. Anhand des jüdisch-österreichischen Semitisten Eduard Glaser zeigt der Vortrag, wie die Abklatschherstellung außerdem mit wissenschaftlichen und soziopolitischen Allianzen verflochten war. So bemühte sich Glaser um die Finanzierung durch die österreichisch-ungarische Monarchie, durch französische Forschungsinstitutionen und durch zionistische Akteure, während er vor Ort auf Vertretende des Osmanischen Reichs und jüdisch-jemenitische Informanten angewiesen war. Anhand dieser Beziehungen wird gezeigt, wie lokale und nichtlokale hegemoniale Herrschaftspraktiken und unterschiedliche nichthegemoniale Strategien mit der Entstehung von Wissen verflochten sind.
www.ifk.ac.at/fellows-detail/ann-c%C3%A1therine-pielenhofer.html
CV
Ann-Cathérine Pielenhofer studierte Geschichte, Zeitgeschichte und Judaistik in München und Wien. Sie verbrachte Studienaufenthalte an der Tel Aviv University, der University of Chicago und der Stanford University. Während ihres Studiums in Wien war sie Studienassistentin am Institut für Philosophie und am Forschungsschwerpunkt Wissenschaftsgeschichte. In ihrer Promotion an der Universität Wien (ebenfalls am Forschungsschwerpunkt Wissenschaftsgeschichte) beschäftigt sie sich mit der Verwendung von Inschriftenkopien, sogenannten Abklatschen, in der semitischen Philologie im langen 19. Jahrhundert. Dabei interessieren sie besonders die Beziehungskonstellationen und gesellschaftspolitischen Allianzen, die sich um die Herstellung und Verwendung dieser Kopien bildeten. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Wissens- und Wissenschaftsgeschichte, insbesondere die Geschichte der Geisteswissenschaften, Wissenschaften des Judentums und historisch-politische Epistemologien.
Publikationen
gem. mit Esther Heinrich-Ramharter, »Ludwig Wittgenstein und Josef Schächter – zwei jüdische Religionsphilosophen des Wiener Kreises?«, in: Esther Heinrich-Ramharter (Hg.): Religionsphilosophie nach Wittgenstein, Heidelberg/Berlin 2023 (in Vorbereitung); als Übersetzerin: »Josef Schächter: Ludwig Wittgenstein, Chapter of Jahaduth W’Hinukh B’Sman Hase«, in: Esther Heinrich-Ramharter und Friedrich Stadler (Hg.): Josef Schächter. Philosophical Writings and Documents in the Context of the Vienna Circle, Cham 2023 (in Vorbereitung).