Geschichte am Mittwoch: Anna Echterhölter (Wien): Pazifik und Bezirksamt. Eine Umfrage zu indigenem Recht in der Kolonie Deutsch-Neuguinea

Datum: 8. Mai 2019, 18.30 – 20.00 Uhr

Moderation: Hermann Mückler

Abstract: Als der Bezirksamtmann Arno Senfft vom Reichskolonialamt in Berlin aufgefordert wird, einen standardisierten Fragebogen über die „Rechtssitten der Eingeborenen“ zu beantworten, stößt er mehrfach an Grenzen der Übersetzbarkeit. Auf der pazifischen Insel Yap besteht keine politische Struktur, die zentral für alle Bewohner zu sprechen vermöchte. Senfft behalf sich mit Antworten, denen mehrere lokale Würdenträger zustimmen konnten und übermittelte Informationen zu Verwandtschaft und Besitz, zu Strafen und Ökonomie, zu Schenkungen und Zahlungsmitteln nach Europa zurück. Eine der besten Bearbeitungen dieses Materials gelang nach zeitgenössischen Kritiken dem in Wien ausgebildeten Juristen und Ethnologen Richard Thurnwald, der die Kolonie Deutsch Neuguinea lange im Auftrag unterschiedlicher Museen bereist hatte.

Von den 400 Exemplaren des sogenannten „Köhler-Fragebogens“, die auf Beschluss des Reichstages 1907 versandt wurden, blieben viele unbeantwortet. Dennoch gilt die in Teilen erhaltene Datensammlung als entscheidender Schritt zur Etablierung der vergleichenden Rechtswissenschaft. Sie erschloss seit Ende des 19. Jahrhunderts die muslimischen oder skandinavischen Systeme in einem Zuge mit den Gewohnheitsrechten schriftloser Kulturen – letzteres Hand in Hand mit den Behörden. Welche neuen Hebel entstanden aus dieser bürokratische Wissensproduktion für die Kolonialpolitik? Etablierte diese Umfrage das Recht der Indigenen gleichwertig oder blieb die Multinormativität eine Chimäre?

 

Abstract:
Als der Bezirksamtmann Arno Senfft vom Reichskolonialamt in Berlin aufgefordert wird, einen standardisierten Fragebogen über die „Rechtssitten der Eingeborenen“ zu beantworten, stößt er mehrfach an Grenzen der Übersetzbarkeit. Auf der pazifischen Insel Yap besteht keine politische Struktur, die zentral für alle Bewohner zu sprechen vermöchte. Senfft behalf sich mit Antworten, denen mehrere lokale Würdenträger zustimmen konnten und übermittelte Informationen zu Verwandtschaft und Besitz, zu Strafen und Ökonomie, zu Schenkungen und Zahlungsmitteln nach Europa zurück. Eine der besten Bearbeitungen dieses Materials gelang nach
zeitgenössischen Kritiken dem in Wien ausgebildeten Juristen und Ethnologen Richard Thurnwald, der die Kolonie Deutsch Neuguinea lange im Auftrag unterschiedlicher Museen bereist hatte.
Von den 400 Exemplaren des sogenannten „Köhler-Fragebogens“, die auf Beschluss des Reichstages 1907 versandt wurden, blieben viele unbeantwortet. Dennoch gilt die in Teilen erhaltene Datensammlung als entscheidender Schritt zur Etablierung der vergleichenden Rechtswissenschaft. Sie erschloss seit Ende des 19. Jahrhunderts die muslimischen oder skandinavischen Systeme in einem Zuge mit den Gewohnheitsrechten schriftloser Kulturen – letzteres Hand in Hand mit den Behörden. Welche neuen Hebel entstanden aus dieser bürokratische Wissensproduktion für die Kolonialpolitik? Etablierte diese Umfrage das Recht der Indigenen gleichwertig oder blieb die Multinormativität eine Chimäre?